
Wie können IT- und Einkauf zu Kostensenkung, Optimierung und einer nachhaltigen Steuerung der Microsoft-Landschaft beitragen?
1. Warum der Microsoft-Softwarebestand ein strategisches Thema ist
In vielen Unternehmen macht Microsoft mehr als 30 Prozent der Softwarekosten aus. Tendenz steigend. Damit ist der Monopolist aus Seattle ein zentraler Budgetposten in jeder IT. Wer diese Ausgaben nicht aktiv steuert, riskiert, Jahr für Jahr hunderttausende von Euros zu verlieren – durch Lizenzen, die nicht genutzt werden, mit zu groß geschnürten Bundles und in Vertragsstrukturen, die Spielräume einschränken, statt diese zu eröffnen.
Wir beobachten folgende Herausforderungen:
- Mangelnde Transparenz: Oft ist unklar, welche Microsoft-Services konkret genutzt werden – oder welche Drittlösungen parallel laufen.
- Technik statt Strategie: Viele Cloud- und Workplace-Projekte werden primär technisch umgesetzt – eine Steuerung nach Geschäftszielen fehlt.
- Verpasste Einsparpotenziale: Renewals werden verlängert, nicht verhandelt. Ressourcen in Azure werden nicht optimiert und M365-Lizenzen bleiben ungenutzt.
Das Ziel ist klar: Wer seinen Microsoft-Softwarebestand heute strategisch betrachtet, kann nicht nur Kosten senken. Er kann Strukturen schaffen, die Planungssicherheit ermöglichen, Spielräume für Innovation eröffnen und unnötige Abhängigkeiten vermeiden.
Auch deshalb liegen die größten Optimierungspotenziale in den beiden aktuell relevantesten Microsoft-Technologien: Microsoft 365 und Azure. Denn der digitale Arbeitsplatz und die Cloud sind in ständiger Bewegung. Hier entstehen die größten Ineffizienzen – aber auch die größten Potenziale für Einsparung.
2. Microsoft 365 – Der digitale Arbeitsplatz unter Kostendruck
Microsoft 365 ist in vielen Unternehmen die Standardlösung für E-Mail, Kollaboration, Office und Sicherheit. Mit teils großen Herausforderungen für das Software-Asset-Management: Denn Microsoft 365 ist in vielen Organisationen einer der größten Einzelposten im IT-Budget – und einer der intransparentesten.
2.1 Typische Kostenfallen im M365-Umfeld
Die meisten Unternehmen schöpfen das Potenzial ihrer M365-Landschaft wirtschaftlich nicht aus. Typische Schwachstellen sind:
- E3/E5-Standardisierung ohne Differenzierung nach Nutzerprofilen: Mitarbeitende erhalten Pakete, die sie nicht brauchen – z. B. Reporting, Security- oder Compliance-Features, die nie genutzt werden.
- Fehlende Deprovisionierung: Konten von ehemaligen Mitarbeitenden oder externen Nutzern bleiben aktiv, Lizenzen werden weiterbezahlt.
- Doppelte Tools und Schatten-IT: Drittanbieter wie Zoom, Dropbox oder Trello werden zusätzlich genutzt, obwohl gleichwertige Funktionen in M365 enthalten sind.
- Ungeprüfte Copilot-Einführung: Lizenzen für KI-Funktionen werden aus Angst, den Anschluss zu verlieren, eingekauft – ohne validen Business Case oder Rollout-Plan.
- Lückenhafte interne Prozesse: Es fehlen geregelte Abläufe für Lizenzzuweisung, Nachverfolgung und Review – insbesondere im Onboarding oder bei Rollenwechseln. Oftmals reicht das Microsoft Admin Center nicht aus, um ein effektives Lizenzmanagement zu betreiben.
Dabei fällt eines direkt auf: Diese Kostenfallen entstehen nicht durch Fehlentscheidungen – sondern durch fehlende Steuerung. M365 wird als Produkt wahrgenommen, nicht als Etwas, das aktiv gemanagt werden muss.
2.2 Optimierungsstrategien für Microsoft 365
Wer M365 steuern will, braucht mehr als nur einen Usage-Report. Typischerweise zeigt das M365 Admin Center nur an, welche Produkte in Nutzung sind. Was fehlt ist jedoch die Gegenfrage: Was wird nicht genutzt? Dabei geht es um mehr als nur Transparenz, es geht um Bedarfssteuerung und klare Prozesse. Dabei helfen:
- Persona-basierte Lizenzstrategie aufbauen: Nutzerprofile definieren, die tatsächliche Anforderungen abbilden – z. B. „Standardarbeitsplatz“, „Außendienst“, „Technik-Team“, „Verwaltung“. Daraus abgeleitet: passende Lizenzpakete je Rolle.
- Nutzung systematisch analysieren (Effective Licence Position): Ermitteln, welche Lizenzen aktiv genutzt werden – und vor allem: welche nicht!
- Drittanwendungen gezielt konsolidieren: Wo Funktionen wie Videokonferenzen, Filesharing oder Aufgabenmanagement bereits in M365 enthalten sind, können externe Tools abgelöst werden.
- Prozesse für Provisioning & Deprovisioning automatisieren: Lizenzzuweisung in Onboarding-Prozesse integrieren, regelmäßige Reviews verankern, Stilllegungen automatisieren. Ein Fokus auf Mitarbeiter im Garden-Leave oder in Elternzeit kann auch sinnvoll sein.
- Semi-automatisierte Optimierungszyklen einführen: Zwei- bis viermal pro Jahr gezielt schauen: Was kann gestrichen, verschlankt oder neu zugewiesen werden.
Diese Maßnahmen reduzieren nicht nur laufende Kosten – sie schaffen auch Klarheit über die tatsächliche Nutzung und eröffnen neue Verhandlungsspielräume bei Renewals.
2.3 Verhandlungsspielräume aktiv nutzen
Microsoft 365-Lizenzen lassen sich nicht nur technisch optimieren – auch wirtschaftlich ist oft deutlich mehr drin. Vorausgesetzt, man geht strukturiert vor.
Die größten Hebel in der Verhandlung:
- Lizenzbedarf realistisch herleiten: Nicht den aktuellen Bestand als Ausgangspunkt nehmen, sondern den bereinigten Bedarf aus Nutzungsanalyse und Personas.
- Neue Bill of Materials (BOM) vorlegen: Vor Renewal ein angepasstes Lizenzportfolio entwerfen – mit klaren Mengen und Paketzuschnitten.
- Bundles aktiv entbündeln: E5 ist nicht alternativlos. Wer auf Security-Funktionen verzichten kann oder sie anders abdeckt, sollte gezielt E5-Teilleistungen verhandeln.
- Preisbenchmarking & Marktvergleich nutzen: Rabattniveaus bei E3/E5 können bei guter Vorbereitung 20–35 % betragen – je nach Vertragsform (CSP oder EA) und Laufzeit.
Verhandeln heißt hier nicht, auf Rabatte zu hoffen – sondern gut vorbereitet mit validierten Bedarfszahlen, Alternativszenarien und einem klaren Zielbild in die Gespräche zu gehen.
3. Azure – Vom Kostentreiber zum Innovationsmotor
Die Cloud wurde einst mit dem Versprechen vorgestellt, IT flexibler, skalierbarer und günstiger zu machen. Doch viele Unternehmen stellen heute ernüchtert fest: Die Realität sieht anders aus. Bei Microsoft Azure steigen die Kosten – ebenfalls aufgrund einer mangelnden Steuerung. Ressourcen werden ohne klare Governance bereitgestellt. Commitments werden ohne abgesicherte Projektplanung verhandelt. Und Einsparpotenziale bleiben ungenutzt, weil Verantwortlichkeiten fehlen.
Dabei ist Azure längst mehr als nur Infrastruktur – es ist eine dynamische Plattform mit über 200 Services, komplexen Abrechnungsmodellen und erheblichen Wachstumsambitionen seitens Microsofts. Wer diese Plattform erfolgreich nutzen will, muss verstehen, wie man Kosten aktiv gestaltet –nicht nur reagiert.
3.1 Typische Kostentreiber in Azure-Umgebungen
In fast jedem Azure-Projekt, finden sich systematische Schwachstellen – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße:
- Überdimensionierte Ressourcen: VMs laufen auf überhöhten Leistungsstufen, Storage wird auf Vorrat bereitgestellt – häufig „zur Sicherheit“, aber ohne tatsächlichen Bedarf.
- Fehlende Abschaltmechanismen: Test- und Dev-Umgebungen laufen rund um die Uhr. Automatisiertes Shutdown- oder Autoscaling-Management ist nicht etabliert.
- Pay-as-you-go statt Planung: Ressourcen werden adhoc erstellt, ohne RI/Savings-Plan-Strategien oder langfristige Nutzungskonzepte. Blue-Prints, um Ressourcen und Bereitstellung zu vereinheitlichen werden nicht angewendet.
- Tagging-Chaos und keine Kostentransparenz: Ohne sauberes Tagging (z. B. nach Kostenstellen, Projekten, Umgebungen) fehlt jede Grundlage für Forecast, Kontrolle und Optimierung.
- Parallelbetrieb von On-Premises-Systemen: Die Cloud wird zusätzlich betrieben, nicht als Ablösung – wodurch unnötige Doppelkosten entstehen.
Diese Muster führen dazu, dass Azure nicht selten als „Kostenfalle“ wahrgenommen wird – obwohl es mit dem richtigen Ansatz ein enorm wirksames Werkzeug zur IT-Transformation sein kann.
3.2 Optimierung durch FinOps und Governance
Die Steuerung von Azure beginnt nicht mit Technik – sondern mit Struktur. Wer Azure langfristig effizient betreiben will, braucht Klarheit über Ziele, Nutzung und Verantwortung. Erfolgreiche Unternehmen setzen dabei auf vier zentrale Hebel:
- Ein gut durchdachtes Cloud Service Operating Model: Cloud-Kosten müssen wie ein Controlling-Prozess geführt werden: mit Verantwortlichkeiten, Forecasts und Reportings.
- Reserved Instances & Savings Plans nutzen: Je nach Workload lassen sich so bis zu 60 % der Kosten senken – vorausgesetzt, die Ressourcen werden langfristig geplant.
- Tagging-Strategien definieren und durchsetzen: Einheitliches Tagging ist Grundvoraussetzung für Kostenkontrolle, Projektauswertungen und Governance. Das sollte nicht der IT überlassen bleiben, sondern zentral definiert werden.
- Joiner-Mover-Leaver-Prinzip auf Ressourcen übertragen: Jede Ressource braucht ein definiertes Lebensende. Automatisierte Prozesse zur Stilllegung sparen massiv Kosten.
- Cloud Center of Excellence aufbauen: Interdisziplinäres Team aus IT, Finanzen und Betrieb, das Richtlinien vorgibt, Projekte begleitet und Controlling ermöglicht.
Ein gut gesteuertes Azure-Setup ist kein Zufallsprodukt – es ist das Ergebnis disziplinierter, fundierter Prozesse. Und genau hier liegt das eigentliche Einsparpotenzial.
3.3 MACC – Zwischen Commitment und Risiko
Der Microsoft Azure Consumption Commitment (MACC) ist eines der wirkungsvollsten, aber auch risikoreichsten Vertragsinstrumente im Azure-Kosmos. Im Grunde handelt es sich um ein Mengenrabattmodell: Je höher das über drei Jahre zugesagte Volumen, desto attraktiver die Konditionen. Doch die Spielregeln haben sich zuletzt verschärft:
- Nur wachstumsstarke Kunden erhalten signifikante Rabatte: Wer 25–40 % jährliches Wachstum nachweisen kann, bekommt attraktive Konditionen.
- Flat-Growth-Kunden verlieren Verhandlungsmacht: Viele mittelständische Unternehmen werden bei Vertragsverlängerung als „nicht relevant für strategische Konditionen“ eingestuft – mit klaren Folgen für die Preisgestaltung.
- MACC-Zusagen ohne Projekt-Roadmap sind gefährlich: Wer sich auf Volumina verpflichtet, ohne Migration, Innovation oder Wachstum abzusichern, trägt das volle finanzielle Risiko bei Minderauslastung.
- Weniger Flexibilität, mehr Druck: Microsoft koppelt zunehmend andere Konditionen an MACC – z. B. Support, CoPilot-Budgets oder Security-Rabatte.
Empfehlung: MACC kann sinnvoll sein – aber nur als Resultat einer strategischen Azure-Roadmap, nicht als Einstiegspunkt in die Verhandlung. Unternehmen müssen klar rechnen, welche Workloads wirklich migriert werden, welchen Verbrauch sie realistisch erreichen – und ob Alternativen sinnvoller wären.
4. Best Practice: Microsoft-Portfolio-Management
Der Microsoft-Softwarebestand ist kein statisches Inventar, sondern ein dynamisches Portfolio. Wer dieses wirtschaftlich steuern will, braucht mehr als punktuelle Analysen – er braucht einen klaren, wiederholbaren Prozess. Genau hier setzt unser Ansatz an:
Basierend auf unserer Erfahrung haben wir eine Methode entwickelt, die Transparenz schafft, Einsparpotenziale quantifiziert und Ihre Organisation befähigt, Microsoft dauerhaft kosten-, lizenz- und vertragsseitig zu steuern.
Unser Ansatz gliedert sich in vier aufeinander aufbauende Phasen. Jede dieser Phase ist klar definiert, nachvollziehbar und auf Microsoft-spezifische Lizenzmechaniken ausgelegt.
1. Daten erheben & normalisieren
Ziel: Ein vollständiges und sauberes Abbild der installierten, gebuchten und genutzten Microsoft-Services schaffen.
- Discovery & Inventory: Erfassen von Nutzern, Geräten, VMs, Workloads und Zugriffspfaden.
- Proof of Entitlement: Sammlung und Validierung aller relevanten Vertragsdokumente, Bestellungen, Portal-Daten (EA, CSP, MACC etc.).
- Transaktionshistorie & Quellenkonsolidierung: Zusammenführen von Daten aus Einkauf, Buchhaltung und Software-Portalen.
Ergebnis: Eine strukturierte, normalisierte Datenbasis als Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte.
2. Lizenzregeln anwenden & Position ermitteln
Ziel: Den tatsächlichen Lizenzverbrauch den vertraglichen Nutzungsrechten gegenüberstellen – unter Berücksichtigung der spezifischen Microsoft-Lizenzmetriken.
- Consumption Analysis: Abbildung der tatsächlichen Nutzung – nach Produkten, Nutzertypen und Workloads.
- Entitlement Analysis: Welche Nutzungsrechte sind durch bestehende Verträge und Lizenzbedingungen abgedeckt?
- Regelwerk-Logik anwenden: Microsoft-spezifische Bedingungen wie Hybrid Use Benefit, Multiplexing oder Downgrade-Rechte.
Ergebnis: Ermittlung der tatsächlichen Lizenzsituation – differenziert nach On-Prem, SaaS und Cloud.
3. Abgleich der Lizenzsituation (Effective License Position)
Ziel: Die Differenz zwischen Nutzung und Lizenzanspruch bestimmen – und in Handlungsszenarien überführen.
- Überlizensierung identifizieren: Wo werden zu viele Lizenzen bezahlt – z. B. durch E5-Pakete mit geringer Feature-Nutzung?
- Unterlizensierung erkennen: Wo bestehen Compliance-Risiken – z. B. bei falsch zugewiesenen Azure-Workloads?
- Handlungsspielräume dokumentieren: Wo lassen sich Lizenzen zurückführen, bündeln oder verschieben?
Ergebnis: Eine vollständige ELP (Effective License Position) als Grundlage für Optimierung und Vertragsverhandlungen.
4. Optimieren, verhandeln & umsetzen
Ziel: Die wirtschaftlich sinnvollste Variante umsetzen – mit klarer Einsparstrategie und organisatorischer Verankerung.
- Risk & Opportunity Assessment Report: Strukturierte Bewertung aller Handlungsoptionen nach Einsparpotenzial, Risiko, Umsetzbarkeit.
- Bill of Materials (BOM): Ableitung eines neuen Lizenzbedarfs – basierend auf Nutzungsrealität und Optimierungszielen.
- Verhandlungsstrategie entwickeln: Vertragsmodell evaluieren (EA vs. CSP), Renewal-Zeitpunkt nutzen, MACC-Verhandlungen vorbereiten.
Ergebnis: Umsetzung der Einsparmaßnahmen, gezielte Verhandlungsvorbereitung und klare interne Verantwortlichkeiten.
Fazit: Microsoft wirtschaftlich steuern statt nur verwalten
Microsoft ist in vielen Unternehmen der größte Einzelposten im Softwarebudget – und gleichzeitig einer der am wenigsten aktiv gesteuerten Bereiche. Die Ursachen liegen nicht im fehlenden Willen, sondern in der Komplexität der Verträge, der Dynamik der Cloud und der mangelnden Verzahnung zwischen IT, Einkauf und Management.
Dieser Artikel hat gezeigt, wie Unternehmen mit einem strukturierten Ansatz Transparenz gewinnen, Einsparpotenziale identifizieren und ihre Verhandlungsposition deutlich verbessern können – ohne Abhängigkeit von Tools oder Audit-Druck.
Drei zentrale Erkenntnisse:
- Viele Kosten entstehen nicht durch Nutzung – sondern durch Intransparenz.
Wer M365 und Azure nicht regelmäßig analysiert, zahlt dauerhaft zu viel. - Verträge sind gestaltbar – aber nur mit klarer Position.
Microsoft-Verträge bieten Spielraum, aber nur wenn man vorbereitet in die Verhandlung geht. - Optimierung ist kein Projekt – sondern ein Steuerungsprozess.
Ein wiederholbarer Zyklus wie der Management-Ansatz schafft die Grundlage für nachhaltige Kostensenkung und Kontrolle.
Wer seinen Microsoft-Bestand heute strategisch managt, schafft nicht nur wirtschaftliche Vorteile – sondern auch Spielräume für echte Innovation.
Der Autor
Philipp Garra
Microsoft Practice Lead bei SAMtoa GmbH